35. Bereichssportfest

 

Wer hätte das wohl gedacht, dass sich dieses in seiner Art wahrscheinlich einmalige Sportfest in der ehemaligen DDR und nun in der Bundesrepublik über einen solch langen Zeitraum am Leben erhalten würde? Was ist das Besondere an diesem Sportfest?

 

Es ist eine Mischung von sportlichen und volkssportlichen bzw. volkstümlichen Wettkämpfen zwischen mehreren Dörfern, nunmehr seit vielen Jahren, den 4 Gemeinden Gossa, Gröbern, Krina und Schköna. Die Disziplinen sind seit der ersten Durchführung im Jahre 1970 nahezu unverändert geblieben. Neben den traditionellen Ballspielen wie Fuß-, Hand- und Volleyball stehen auch Disziplinen wie Schach, Dart, Skat und Tauziehen auf dem Programm. Insgesamt sind es zur Zeit 15 Disziplinen gegenüber 13 am Anfang. Die Siegermannschaft in jeder Disziplin erhält einen Wanderpokal, der nach dreimaligen Gewinn in Folge endgültig vergeben wird. Hauptziel jeder Gemeinde ist es, den Gesamtsieg als Summe der Ergebnisse aller Disziplinen davonzutragen. Die Ermittlung des Siegers erfolgt nach einer Punktewertung, wobei die Anzahl der Punkte nach der Platzierung in jeder Disziplin vergeben wird: Platz 1 = 4 Punkte Platz 2 = 3 Punkte Platz 3 = 2 Punkte Platz 4 = 1 Punkte Nichtteilnahme = 0 Punkte. Der Gesamtpokal geht sodann an den Gesamtsieger mit der höchsten Punktezahl als Summe der Platzierungen über alle Wettkämpfe. Auch der Gesamtpokal ist ein Wanderpokal.

 

Anfangs war der Austragungsort nur Gossa. Seit 1973 wechselt der Austragungsort von Gemeinde zu Gemeinde, so dass jeder Ort in 4 Jahren einmal die Hauptverantwortung trägt. Verständlicher Weise wird bei dieser Wettkampfbreite für die Durchführung der Zeitraum einer Woche benötigt, mit den Höhenpunkten am jeweiligen Wochenende.

 

Wie kam es eigentlich zu diesem Sportfest? Die Idee, ein Sportfest in der Gemeinde Gossa durchzuführen, hatte der damalige Direktor der Schule Karl Erich, ein Mann, der sich außerordentlich für den Sport engagierte. Das war bereits im Jahre 1966. Für die Organisation und Durchführung der sportlichen Wettkämpfe übertrug er mir, als Sportlehrer, die Verantwortung. Es wurde der Dorfmeister in verschiedenen Disziplinen ermittelt, auch damals schon in der Leichtathletik, i, Kegel, Schießen, Schach und Skat. Im Skat wurden sogar 4 Meisteranwärter für die Endrunde am Tag des Sportfestes in einem Vorausscheid ermittelt. Der Dorfmeister wurde auf dem Sportplatz unterm Sonnenschirm „erspielt“. Unter großen Anteilnahme kamen viele „Kiebitze“ auf ihre Kosten.

 

Den Abschluss jedes Dorfsportfestes bildete ein Fußballspiel. Beim 1. hieß der Gegner Schmerz. Wegen allgemeiner Beliebtheit folgten 3 weitere Dorfsportfeste am Ende immer mit dem Spektakel Fußball. Beim 2. War es die Freiwillige Feuerwehr, die sich dem Rest des Dorfes stellte und beim 3. und 4. Match hieß der Gegner jeweils Gröbern. Tangiert wurden die Sportfeste durch weitere Aktivitäten wie die Durchführung von Tombolas und Preiskegeln, wo sich viele Dorfbewohner organisatorisch mit einbrachten.

 

Auch die Nachbargemeinden blieben unsere sportlichen Aktivitäten nicht verborgen. Die Gröbener beteiligten sich schon 1969 nicht nur im Fußball. Die Mund zu Mund Propaganda sorgte dafür, dass 1970 auch die Krinaer ihr Interesse an einer Teilnahme bekundeten. Die Grenzen des bisherigen Sportfestes wurden gesprengt. Das war die Geburtsstunde des Bereichssportfestes, dass in diesem Jahr zum 35. Mal durchgeführt wird. Viele Gossaer bedauern zwar damals diesen Schritt, weil es das Ende der „familiären“ sportlichen Veranstaltung war. Mehr und mehr wurde das Sportfest ein mit großem Eifer geführter Wettkampf zwischen den teilnehmenden Gemeinden. Die Ergebnisse sprechen aus heutiger Sicht dafür, dass dieser Schritt richtig war. Auch wäre ein 35. Dorfsportfest eher fraglich. So war es nur folgerichtig, dass schon anfangs der siebziger des „vorigen“ Jahrhunderts weitere umliegende Gemeinden ihr Interesse bekundeten. So nahm von 1972 – 1978 Burgkemnitz mit großem Erfolg teil. Andere Gemeinden wie Schlaitz, Plodda und seit 1977 die Gemeinde Schköna folgten. 1977 und 1978 gab es dann auch eine Rekordbeteiligung von 6 Gemeinden. Was die Durchführung der Wettkämpfe aus organisatorischer Sicht recht kompliziert machte. Probleme mit einer Art „Gebietsreform“ in der damaligen DDR mit Auswirkungen auf unser Bereichssportfest waren auch schon vorhanden. Durch die Bildung von Gemeindezweckverbänden kam das „Aus“ für Burgkemnitz, Schlaitz und Plodda, die dem Landkreis Bitterfeld angehörten und mit neuen Aufgaben konfrontiert wurden. Die übrigen 4 Gemeinden wurden allesamt dem Zweckverband „Heiderand“ zugeordnet und veranstalteten wie gehabt in Übereinstimmung das 10. Sportfest. In organisatorischer Hinsicht tat das der Sache gut, sportlich aber einen kleinen Abbruch.

 

In dieser Form überlebte das Bereichssportfest auch die stürmische Wendezeit 1989/90. Nicht immer waren Gossa, Gröbern, Krina und Schköna so einig wie in der Frage der Weiterführung des Bereichssportfestes. Sicher richtig, meinten die neuen Verantwortungsträger und Sportler, denn sportliche Aktivitäten konnten auch in der Bundesrepublik nicht verkehrt sein. Das Kleeblatt überlebte bisher auch weitere territoriale Umstrukturierungen, so das Ausscheiden von Schköna aus der VWG“Schmerzbach“ in den Landkreis Wittenberg. Es beendete die sportlichen Gemeinsamkeiten nicht.

 

Im Laufe der Jahre wurde mehrfach versucht, die Durchführung des Sportfestes zu verbessern. Dabei ging es vor allem darum die Teilnehmerzahl auszubauen, neue Sportarten einzuführen oder auszutauschen und den Ablauf zeitlich und sportstättenmäßig zu optimieren. Am Grundkonzept wurde jedoch nichts verändert. Welche nennenswerte Änderungen gab es? Anfänglich wurde versucht ein Sportfest vor allem für Nichtorganisierte, also Nichtaktive, zu gestalten. Aktive in der jeweiligen Sportart waren ausgeschlossen. Jugendliche nahmen nur wenig und Kinder überhaupt nicht teil, weil es für sie in der ehemaligen DDR genügend Wettkampfmöglichkeiten gab. Kinder sind auch heute noch nicht beteiligt, während Jugendliche immer mehr Zugang finden. Immer war auch der Ausschluss von Sportlern, die im Rahmen einer ausgeschriebenen Disziplin des Sportfestes ständig in einem Verein aktiv waren, umstritten. Deshalb wurde dieser Passus 1991 gestrichen und die Teilnahme ausnahmslos jedermann erlaubt soweit der oder die Betreffende ihre Hauptwohnung in der jeweiligen Gemeinde hatten.

 

In den letzten Jahren haben sich regelrecht Interessengruppen gebildet, die sich speziell auf das Bereichssportfest vorbereiten. Positiv zu verzeichnen ist auch, dass die Anteilnahme und Beteiligung der Frauen zugenommen hat. Das wurde insbesondere durch Ausschreibung der Disziplinen Volleyball und Handball speziell für Frauen und im Wertungsmodus der Leichtathletik Frauen erreicht. Das alles hat dazu geführt, dass die Anzahl der Teilnehmer insgesamt ständig gewachsen ist. Bewährt hat sich auch, dass der austragenden Gemeinde gestattet worden ist, eine Disziplin ihrer Wahl zusätzlich ins Programm aufzunehmen. Fand diese Disziplin Zuspruch in den anderen Orten, wurde sie als „ständige Disziplin“ verankert. Dem Beispiel Darts können durchaus weitere folgen. Gleichfall hat der jeweilige Ausrichter das Recht eine ihm weniger sympathischen Disziplin für ein Jahr abzuwählen.

 

Wie erfolgte die materielle und finanzielle Sicherung unserer sportlichen Aktivitäten? Die ersten Sportfeste wurden ohne jegliche finanzielle Unterstützung durchgeführt, Idealismus war Trumpf. Die Herrichtung der Sportstätten, die Durchführung der Wettkämpfe einschließlich Schiedsrichterleistung erfolgte in eigener Regie. Ausrangierte Pokale fanden bei uns Verwendung und die Schule unterstützte mit Geräten und Räumlichkeiten. Beim DTSB in der damaligen DDR waren unsere Aktivitäten zwar bekannt, Interesse bestand jedoch kaum, wurden doch keine neuen Mitglieder geworben. Folglich gab es auch keine personelle und finanzielle Unterstützung. Ab 1974 (5.Sportfest) beteiligten sich erstmals die Gemeinden Gossa und Gröbern mit je 50,-M bereitzustellen. Die zunehmende Popularität unseres Sportfestes veranlasste die Bürgermeister den Betrag zunächst auf 100,- und später sogar 200,-M aufzustocken. Dieser Betrag floss auch nach der Wende in Form von „DM“ in die Sportfestkasse. Aber nicht nur die Zuwendungen, auch die Kosten stiegen erheblich an. Marktwirtschaftliche Tendenzen holten auch das Bereichssportfest ein. 400,- DM pro Gemeinde, einige Jahre zusätzlich 50,-DM von der Verwaltungsgemeinschaft „Schmerzbach“ standen in den letzten Jahren zur Verfügung, um alle Aufwendungen und erforderlichen Anschaffungen realisieren zu können. Wie geht es finanziell weiter? Die Unterstützung durch die VWG entfällt. Die Gemeinden unterstützen mit je 150,- Euro der Austragungsort mit 200,- Euro. Mit 650,- Euro kann bei sparsamen Umgang das Sportfest aus heutiger Sicht noch ordnungsgemäß durchgeführt werden.

 

Bescheidenheit ist eine Zier…..doch kann durch Präsentation und Information durchaus eine Brücke zum KSB nach Bitterfeld geschlagen werden. Die Kreisrandgebiete stehen auch in sportlicher Hinsicht nicht immer Blickpunkt. So wie die Schmerzer Badewannenrennen wohl einmalig sind, ist zumindest nicht bekannt wo vergleichbare dörfliche Sportfeste über einen solchen Zeitraum in Deutschland stattfinden. Vielleicht ein wenig unterstützenswert?

 

Als Anlage zu diesem Text ist eine Übersicht beigefügt, die zeigt wann, wo, wer als Sieger hervorgegangen ist. Die fettgedruckten Ortskürzel nennen immer die endgültige Inbesitznahme eines Pokals nach dreimaligen Gewinn hintereinander 

(Anmerkung:  Auf der Seite „Gesamtplazierungen der Orte seit 1970 Orte sind diese fett,unterstrichen und kursiv geschrieben).

 

Es ist auch ersichtlich, dass die Ortsreihenfolge nicht immer konsequent eingehalten wurde. Das liegt darin begründet, dass nicht gleich jeder den Mut hatte, ein Sportfest in eigener Regie durchzuführen bzw. auch Sportstättenrenovierungen erforderlich waren. Seit dem 20. Sportfest sprechen wir von Jubiläumsfesten, die danach alle 5 Jahre einen Höhepunkt darstellten. Das 35. Findet nach Gossa, Gröbern und Krina in Schköna statt. Anlass genug ein kurzes Resümee zu ziehen: Eine wesentliche Voraussetzung für das bisherige Gelingen war das gemeinsame Ringen der beteiligten Gemeinden in kameradschaftlicher und sportlicher Atmosphäre jedes Jahr aufs Neue alle Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen, die einen erfolgreichen Ablauf verhindert hätten. In Auswertung jedes Sportfestes erfolgte eine harte, kritische Auseinandersetzung, wenn es darum ging Fehler auszumerzen, Verbesserungen durchzusetzen und festgelegte Verantwortlichkeiten durchzusetzen. Als äußerst positiv ist der Umstand zu bewerten, dass ein und dieselbe Person über 35 Jahre die Gesamtleitung inne hatte. In der Menge der vielen fleißigen Mitstreiter ist ebenfalls als einziger nach 35 Jahren organisatorisch wie sportlich noch dabei, der Sportfreund Horst Reinhold aus Gossa. Was wäre ein Sportfest aber ohne die Aktivitäten, ihr Interesse, ihre Einsatzbereitschaft und ihre Fairness? Von der Aufrechterhaltung dieser Eigenschaften und einiger uns wohlgesonnener Sponsoren wird der weitere Erfolg unseres Bereichssportfestes abhängen.

 

Helmut Knaust  

 

P.S. der Autor dieses Artikels ist der Mann, der 35 Jahre den Löwenanteil zur Organisation dieses Sportfestes beitragen hat.

H.R. (Horst Reinhold)